Crawdaddy – June/11/72
"It's all dishonest. It gives you a dishonest view. What you are receiving is dishonest, what you are putting out is dishonest any music you try to play behind is a mess."
Was?
Im Januar 1966 veröffentlichte der 17-jährige Student Paul Williams die erste Ausgabe vom Crawdaddy. Vorher Folk-Fan und aktiv in der SciFi-Fanzine Community, war er durch die neuen englischen Bands Kinks, Stones, Beatles zum Rock-Fan geworden. Das Studium im privaten Swarthmore College nahe Philadelphia langweilte ihn. Als er davon las, dass die Stones und Yardbirds in einem West-Londoner Club namens Crawdaddy spielten, hatte er in sekundenschnelle das Konzept für seine neue Zeitschrift im Kopf:
„Ich würde nach New York City trampen, von den Plattenlabels einige Review Copies schnorren, drüber schreiben, die Texte dann auf dem Mimeographen von einem Kumpel unter dem Namen Crawdaddy vervielfältigen. Die Kopien schicke ich an Radiosender und Freunde und verkaufe sie über Zeitungsbuden und Plattenläden in New York City und Cambridge. Und genau das habe ich dann gemacht.“
Bis 1968 blieb Williams Chefredakteur. Dann ließ er andere machen und veröffentlichte eine Best-of der ersten Crawdaddy-Jahrgänge. Er wurde Autor für den anderthalb Jahre nach Crawdaddy gegründeten, aber deutlich professioneller betriebenen Rolling Stone. Bücher schrieb er über Bob Dylan und den Science Fiction-Autor Philip K. Dick, mit dem ihm auch eine enge Freundschaft verband.
Paul Knoebler, Williams Nachfolger in der Chefredaktion führte Crawdaddy bis 1979 fort. Autorin dieser Zeit ist unter anderem Patty Smith (‚Because The Night‘). 1993 übernahm erneut William, bis ihn seine nach einem Motorradunfall angeschlagene Gesundheit rund zehn Jahre später zur endgültigen publizistischen Pause zwang.
Haptik
Beim Lesen wird aus dem Zeitschriftenformat des Crawdaddy ein großes Zeitungsformat, wobei zwei Bücher die redaktionellen Schwerpunkte setzen. In ‚Section One‘ findet man Kolumnen, Kommentare und Rezensionen und Cartoons.
Titel & Inhalt
Aufmacher von ‚Section Two‘ ist Joe Cocker. Ihm ist schon der Titel gewidmet, auf dem er als Tresenkumpel mit leerem Säckel in Plauderlaune zu sehen ist.
Cocker war drei Jahre zuvor mit seiner Version des Beatles Song ‚A Little Help From My Friends‘ mitsamt Luftgitarrenspiel einer der großen Überraschungen des Woodstock Festivals. Um den Erfolg fortzusetzen ging er 1970 auf Tour durch die Vereinigten Staaten. Reich wurde Cocker dabei nicht. Das mag auch daran gelegen haben, dass seine Band Mad Dogs aus 20 Musikern bestand (darunter allein drei Schlagzeuger), angereichert mit einem großen Gefolge von Freunden, Fans und Groupies. Mit nicht einmal $ 1.000 Gage kam Cocker zurück nach Hause (Birmingham) und setzte die heftige Trinkerei fort, die er sich bereits auf Tour angewöhnt hatte.
Zwei Jahre war Cockers Karriere im Leerlauf. Nun, 1972, nach dem Debakel der Mad Dogs-Tour, reiste Cocker mit einer neuen, weniger personalintensiven Band,
Es war nicht Cockers erstes Comeback und sollte auch nicht sein letztes sein. Bereits Mitte der 1960er Jahre pausierte er über ein Jahr als seine erste Solo-Single, ebenfalls eine Beatles-Nummer durchfiel. 1968 gelang ihm mit The Grease Band der kommerzielle Durchbruch.
1972 gelang das Comeback ebenfalls. Anderthalb Jahre tourte Cocker ohne Pause mehrmals durch die Vereinigten Staaten, durch Europa und Australien. Nachdem sich sein langjähriger Bandgefährte Chris Stainton aus der Band verabschiedete, geriet auch die Karriere von Cocker ins Stocken. Das auf der Tour entstandene Album „Something to Say‘ war mäßig erfolgreich. Wieder trank der Blues-Sänger zu viel, nahm nun auch noch Heroin. So war das nicht geplant. Was geplant war, liest man in dieser Ausgabe vom Crawdddy.
Verdikt
Das Tryptichon des anspruchsvollen, amerikanischen Rock- und Kulturjournalismus mit Fühlern zum Underground bestand aus der Weltmarke Rolling Stone (steht zum Verkauf), dem bereits 1989 eingestellten Heft Creem aus Detroit – mit dem Redakteur Lester Bangs als Abziehbild des wilden Rockreporters – und Crawdaddy.
Crawdaddy wurde zuerst gegründet. Rockmusik war mehr Thema als Kultur und Politik (wie beispielsweise im Rolling Stone), aber dafür mit dem Anspruch den Alben und Konzerten mit fundierter Kulturkritik zu begegnen.