Die Epilog – Ausgabe 5, April 2016
„Alles was gewesen sein hätte können, ist die letzte Quelle totaler Tragik in einem meistenfalls völlig untragischen Alltag in der Mitte der Gesellschaft. Lassen wir uns die Gelegenheiten genüsslich durch die Finger rinnen, wird die gnadenlose Kontingenz des ganzen Theaters hier wirklich mal spürbar. Das ziept, das ist echtes Drama, geil!"
Was? (& Erwerbsgeschichte)
Abos generieren! Beilagen platzieren!
Das war der Auftrag meines Arbeitgebers.
So durfte ich im Jahr 2013 den Markt deutschsprachiger Kultur-, Literatur,- und Politikzeitschriften sichten, um möglichst viele lukrative Kontakte herzustellen.
Die Szene der deutschen Independent Magazine schien in voller Blüte zu stehen. Sie erneuerten den totkranken Pressemarkt nicht ökonomisch und langfristig, aber doch zumindest kreativ-disruptiv. Sie gaben den Ton an, dem dann die Großverlage mit eigenen Nischentiteln über Entschleunigung oder Fleischkonsum einstimmten.
Nicole Zepter bot mit The Germans (R.I.P.) ein Mix aus Politik und viel Gefühl. Ricarda Messner führte den Leser mit Flaneur zu wenig bekannten Abschnitten berühmter Berliner, Leipziger und Römer Straßen. In Bayern erschien das Lokalmagazin Muh und in Berlin der preußische Äquivalent Der Fritz (R.I.P.). Die feuilletonistischen Spartenzeitschriften 11Freunde (Fußball) und brand eins (Wirtschaft) meldeten neue Auflagenrekorde. Es gab die Revue – „Magazine for the Next Society“(R.I.P.), Päng (R.I.P.), ein Bastelagazin für Erwachsene, und das Popkultur-Heft OPAK (R.I.P.). Dazu kam aus dem Umfeld der Bauhaus Universität Weimar Die Epilog an den Bahnhofskiosk. Sie ist gutaussehend, klug unf schon wegen des falsch gesetzten Artikel im Namen eine Herausforderung.
Turnus & Auflage & Zielgruppe
Der gebildeten deutschen Generation Finanzkrise bot und bietet Die Epilog ein Theorie-MashUp – gedanklich angesiedelt irgendwo zwischen Post-Internet und Akzelerationismus, zwischen Uni-Mensa und Know Wave.
Anfangs sicherte eine staatliche Förderung die vierteljährliche Erscheinungsweise in fünfstelliger Auflage.
Dann passierte zwei Jahre (fast) nichts. Nur ein Sonderheft, das „Magazin für Trivialkultur“, erschien. Dann kam diese Ausgabe.
Inhalt
In der Comeback-Nummer ist das Monothema „Konjunktiv“. Diese originär grammatikalische Möglichkeitsform wird auf mannigfaltige Lebensbereiche und Denkformen projiziert.
Im Interview hofft der Essayist und Wissenschaftler Joseph Vogl auf den Konjunktiv im Kapitalismus. Er plädiert im Sinne Bartlebys für das Zaudern und das Fragen angesichts einer Aktivitätshysterie und dem politischen Credo totaler Alternativlosigkeit.
Mehr naturwissenschaftlich ist das Gespräch mit Klaus Sames. Der Professor der Freien Universität Berlin beschäftigt sich mit Kyrokonservierung, dank derer die „Abwesenheit von Leben“ nur zu einer Übergangsperiode zu einem möglichen nächsten Lebenszyklus werden könnte. Die Konservierung des Toten scheint abseits mopralischer Fragen relativ einfach zu sein. „Toten in eine Kiste, mit Eiswürfeln überdecken, dann mit Frostschutzmittel durchströmen und Medikamente geben.“ Der Verstorbene wird auf -196 Grad Celsius herunter gekühlt und in einem Stickstofftank „zur Ruhe gelegt“.
Verdikt
Die Epilog lebt weiter. Danach sah es eine zeitlang nicht aus. Dafür war die zweijährige Pause zu lang.
Man ist durchgestartet: enorme Auflage, schräge Web-Videos und Berichterstattung in der Zeit. Doch die Flughöhe wurde nicht ganz erreicht. „Am Anfang wollten wir viermal im Jahr. Das ist wahnsinnig viel Aufwand, dafür, dass so was natürlich wirtschaftlich Unsinn ist.“, erklärte kürzlich Herausgeber Mads Pankow im Deutschlandfunk. Man bleibt jedoch weiter auf Kurs. Machen ist besser als grübeln. Ideen müssen an der Realität geprüft werden.
Die „Zeitschrift für Gesellschaftswandel“ wurde die „Zeitschrift zur Gegenwartskultur“. Dicker, vielstimmiger und dadurch – vielleicht – ein kleines bißchen mehr Uni-Mensa als vor einigen Jahren. Kommenden Frühling gibt es Nachschub.