Donnerstag, 09. Juni 2016

BUNTE ÖSTERREICH – Nr. 31, 28. Juli 1970

„Meine Frau ist äußerst tüchtig im Beruf, und auch ich bin allgemein anerkannt. Wir haben immer gute Leistungen vollbracht, und darum verstehen wir ganz und gar nicht, warum unser 7-jähriger Sohn ein solcher Versager ist.“

Dr. Braun hält Sprechstunde

Was?

„Die Bunte ist gemacht für Offenburg, und in Deutschland gibt es viertausend Offenburgs. Das ist das Geheimnis ihres Erfolgs“. So beschrieb der Journalist Heinz van Nouhuys die Illustrierte für die Zielgruppe „Frau Hauptlehrer Metzger“.

1948 erschien erstmalig der Bunte-Vorläufer Das Ufer – Zeitschrift für junge Menschen. Der Verleger Franz Burda wurde in seinem Betrieb der „Senator“ genannt. Er war gelernter Drucker und promovierter Ökonom. Für Rommels Afrikakorps produzierte er hochwertiges Kartenmaterial, nach der deutschen Kapitulation Briefmarken und Lehrbücher für die französischen Alliierten. Das Verlegen von Zeitschriften – in der Vorkriegszeit die Funkerzeitung Sürag oder Die Biene und ihre Zucht – war zunächst nur Nebengeschäft für die Auslastung der Druckmaschinen.

Mit einer opulenten Farbberichterstattung von Queen Elisabeth II. Krönung gelang Burda der große Scoop. Kurz danach wurde Das Ufer zur Bunten und aus Burda das „Schwarzwald-Springerle“. 1963 folgte der Einstieg in den Österreich-Markt. Das Motto: Fernsehen auf Papier. Damit verdiente Burda Anfang der 1970er viel Geld. Maschinenbau Made in Germany blieb sein zweites Steckenpferd mit Joint Ventures für Farbdruckereien in den USA.

Der langjährige Bunte-Redaktionsdirektor Karlheinz Schönherr erinnert sich: „Offenburg war kein Zielort für journalistische Stars. Jeder in der Branche wußte: In Offenburg bestimmt der Alte. Und da er Erfolg hatte, blieb das auch so.“ Franz Burda stimmte dem durchaus zu: „Ich bin autoritär, aber ich machs luschtig.“ Weniger lustig wurde es bei der Bunten Ende der 1980er Jahre. Senator-Sohn Hubert Burda hatte die Chefredaktion nach 10 Jahren an den späteren Bild-Briefeschreiber Franz Josef Wagner abgegeben. An das Regiment erinnerte sich seine ehemalige Mitarbeiterin Sophia-Therese Fielhauer-Resei in einem Artikel für kress

„Chefredakteur Franz Josef Wagner brüllt und schreit so tief, dass die Wände wackeln, Wagner schmeißt das Magazin kurz vor Druck komplett um, kündigt Mitarbeiter um vier Uhr morgens und erinnert sich am gleichen Vormittag nicht mehr daran. Wagner glorifiziert den Autoren Helge Timmerberg, der zumeist in Havanna oder Marrakesch sitzt – ein Großteil dessen, was die Stammbesetzung schreibt, wird nach Kuba und Marrokko gefaxt, auf der Schreibmaschine von ihm umgedichtet und retour gefaxt.“

Inhalt

Einen ganz anderen Reiseschriftsteller als Helge Timmerberg führte im Mai / Juni 1970 die Sigi-Löw-Gedächtnisexpedition an die Rupalflanke des Nanga Parbat: Reinhold Messner wird Hauptprotagonist des großen alpinen Dramas jener Zeit. Und er ist noch gar kein Schriftsteller. Sein Expeditionsleiter verantwortet die Berichterstattung. Darüber setzt sich Messner kurze Zeit später jedoch hinweg. Doch beginnen wir am Anfang:

k_Die Crew

Die Sigi-Löw-Gedächtnisexpedition war das Projekt des studierten Mediziners und Psychologen Karl Maria Herrligkoffer. Selbst kein Bergsteiger, war er geschickter Organisator und Finanzier. 1953 – knapp einen Monat nachdem Edmund Hillary und Tenzing Norgay als erste Menschen auf dem Mount Everest standen – gelang unter Herrligkoffers Leitung die Erstbesteigung vom Nanga Parbat, dem neunthöchsten Berg der Erde. 1962 kehrte er zurück, um eine neue Route zu probieren. Expeditionsteilnehmer Siegfried Löw starb; und auch die ihm gewidmete Expedition acht Jahre später würde Opfer beklagen.

k_Herrligkoffer

Franz Burda traf Herrligkoffers Mannschaft im Interncontinental Hotel in der pakistanischen Hauptstadt Rawalpindi. Die Expeditionsteilnehmer hatten Probleme mit dem Transit. Das Zeitfenster verengte sich; man dachte über einen Flug nach. Der aber war mit dem vorhandenen Budget kaum bezahlbar. Burda schrieb in einem ersten Artikel über die Sigi-Löw-Gedächtnisexpedition in der Bunten vom 21. Juni:

„Dass sollte nun daran scheitern, daß die Kasse vielleicht nicht ausreichte? Nein. Und ich tat etwas, was ich noch nie zuvor getan hatte. Ich stellte einen Blankocheck aus und gab ihn Herrligkoffer: ‚Wenn Sie jetzt in finanzielle Schwierigkeiten kommen, kann Ihnen trotzdem nichts passieren.‘“

Für die Bunte sicherte er so die Abdruckrechte „Welt-Exklusiv“ – und die Expedition konnte generalstabsmäßig durchgeführt werden. Herrligkoffer saß im Basislager und gab Anweisungen. Doch mit der alpinen Entwicklung von der klassischen Erstbesteigung hin zur herausfordernden Wahl neue Routen, hatte sich auch ein neuer bergsteigerischer Stil entwickelt. Wenige haben ihn so geprägt wie später Reinhold Messner: „By fair means“ – der Berg pur: schneller Aufstieg in kleinen Teams und ohne Fixseile, ohne Sherpas, ohne zusätzlichen Sauerstoff, ohne Aufputschmittel wie Pervetin.

Einer der Expeditionsteilnehmer, Gerhard Bauer, erinnert sich später:

„Die Schwerfälligkeit der Großexpedition mit den vielen Materialtransporten war keine Folge von Inkompetenz, es war das was er [Herrligkoffer] aus seiner Erfahrung heraus für das Beste hielt. Ich und einige andere spürten schon, dass manches schneller, einfacher und flexibler gemacht werden könnte, wenn man die Leute am Berg selber entscheiden ließe, anstatt im Basislager zu entscheiden.“

Schon Herrlingskoffers Artikel in dieser Ausgabe der Bunten – wenig mehr als eine chronologische Aufzählung der Ereignisse – vermittelt eine tradierte Perspektive, die eine militaristische Zielerfüllung priorisiert. Man arbeitet an einem „Angriffsplan“ für den „Schicksalsberg der Deutschen“. Nach dem „Gipfelsieg“, der nicht ohne „Blutzoll“ vonstatten geht, „räumt“ man für den „Abmarsch“ das Hauptlager.

Messners

Über den Tod von Günter Messner wurden bereits nach Rückkehr Mitte Juni 1970 sehr unterschiedliche Geschichten erzählt. Ab Winter 1970/71 veröffentlichten Herrligkoffer und Messner sich widersprechende Erklärungen. Die Bunte lässt den Expeditionsleiter zu Wort kommen. Später folgten Prozesse. Messner strengte gerichtliche Auseinandersetzungen gegen Herrligkoffer an, verlor, veröffentlichte vertragswidrig seinen Erlebnisbericht ‚Die rote Rakete am Nanga Parbat‘. Er wird auch die Grundlage von Joseph Vilsmairs Spielfilm ‚Nanga Parbat‘. Damit wurde die Messner-Version auf Zelluloid gebannt, gewissermaßen in Stein und Eis gemeißelt. Der Bergsteiger-Star selbst blieb bei den Aussagen zum Brudertod immer ein wenig ambivalent: „Es gibt nur einen Menschen, der es weiß und damit lügt oder die Wahrheit sagt.“

Joachim Hemmleb rollte in seinem Buch ‚Nanga Parbat – Das Drama 1970 und die Kontroverse‘ den Fall noch einmal auf. Alle Versionen fasste er zusammen. Messner ging erfolglos gegen das Buch an. Hemmleb:

„Zwei junge Bergsteiger trafen am Berg Entscheidungen, in deren Folge der eine starb und der andere nur knapp überlebte. Man kann die Entscheidung unter bergsteigerischen Gesichtspunkten diskutieren und beurteilen. Verurteilen braucht man sie nicht. Die Alpingeschichte kennt viele ähnliche Beispiele. Ihre Besonderheit erhielt die Geschichte vom Nanga Parbat 1970 allein durch die Tatsache, dass die beiden Bergsteiger Brüder waren und der Überlebende später Weltruhm erlangte. So konnte sich der zweite Teil der Geschichte entwickeln: das von Reinhold Messner inszenierte und bis heute andauernde mediale Spektakel um sein eigenes Schicksal.“

Haptik

Die Reportage über den Nanga Parbat mutet dank des Illustrierten-Großformats an wie ein Bildband. Der Clou der Bunten in den frühen 1970er: Sie war zu großen Teilen bunt. Das war auf dem damaligen Pressemarkt nicht üblich. Die Titelgeschichte über Senta Bergers Steinzeit-Spaß blieb hingegen farblos.

Auflage & Turnus

Die Menge, die Burdas Druckmaschinen wöchentlich von der Bunten ausspuckten, war aus heutigen Gesichtspunkten phänomenal. Die Verkaufszahlen lagen im ersten Quartal 1970 – so Peter Köpf in seinem Familienporträt ‚Die Burdas‘ – bei 1,8 Millionen Stück pro Ausgabe.

Werbung

Immer wieder zu finden in deutschsprachigen Zeitschriften der späten 1960er und frühen 1970er Jahren: Werbung für …

k_Butter

Verdikt

Man spricht gerne von Blattmachern, wenn man über Chefredakteure redet. Burda war wohl einer der wenigen Vollblut-Blattmacher: Drucker, Verleger, Chefredakteur; Vordenker, Agitator, Produzent.

Vom politisierten Hamburger Presseadel jener Zeit immer ein wenig belächelt (außer von Axel Springer, aber der sah sich ja auch als Berliner), war sein Erfolgsmodell Bunte stets Ort für einfach spannende Geschichten. Jede Ausgabe führt den Leser in die Prunksäle oder die entlegensten Orte der Welt. Glanz und Spektakel, Leidenschaft und Schicksal – dafür schlägt man Seiten aus Papier auf.

Donnerstag, 09. August 2018

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Falter – 18/2015

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Jamsin Zeitschrift August 1968
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Die Sprechblase – Jan. 2013, 38, Jahrg., Nr. 226

Die Sprechblase Januar 2013
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IWMpost – NO. 109 • JANUARY – APRIL 2012

IWMpost - NO. 109 • JANUARY - APRIL 2012
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BUCHKULTUR – Heft 143 | August/September 2012

Buchkultur August September 2012
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