Transhelvetica – #27, März–April 2015
„Ein guter Bergkäse mit einem feinen Weisswein ist im Wesentlichen alles, was es braucht – wobei die richtige Wein/Käse-Kombination, vom individuellen Geschmack abhängig ist. Schön, wenn die Charaktere der beiden zusammenpassen wie bei einem jungen Liebespaar.“
Was?
Die Schweiz als Reiseland ist möglicherweise vor allem etwas für besser betuchte Liebhaber aufgeräumter Berglandschaften. Von insgesamt 82 Alpengipfeln über 4.000 Meter stehen fast zwei Drittel – zumindest zur Hälfte – in der Schweiz. Eine über die Grenzen hinaus bekannte Lebensqualität und nicht zuletzt der diskrete Charme der Einwohner tut ein Übriges um Alpinisten und Skifahrer, Wanderer und Freunde des Pittoresken anzuziehen. Seit 2010 können deutschsprachige Reiselustige auf diese Publikation als Appetitanreger zurückgreifen.
Turnus
zweimonatlich
Auflage
liegt zwischen 15.000 und 20.000 Exemplaren
Preis
10 SFr
Titel & Layout
In jeder Ausgabe widmet man sich einem bestimmten Stichwort; das sind zum Beispiel Farben (Orange oder Rosarot), Naturerscheinungen (Nebel oder Kristall) oder eine Region außerhalb der Schweiz (es gibt Ausgaben zu Beziehungen zwischen der Schweiz und Orten wie Russland, Amerika oder Japan). Diese Stichworte – offiziell Inspirationen genannt – sind weniger Monothemen als sehr schwer zu verschließende, thematische Koffer, in die trotzdem kaum ein Utensil zuviel gepresst wird.
Hier widmet man sich Asterix. Das Thema geht die Redaktiom mit ganzer Konsequenz an. Schon die römische Paginierung verkompliziert spielerisch die Orientierung im Inhaltsverzeichnis auf Seite IV.
Durch die nächsten XCV (sprich 95) Seiten des Reisemagazins ziehen sich Illustrationen, die hauptsächlich dem Band Asterix bei den Schweizern entnommen sind. Dass gerade dieser Band der französischen Comicserie, so Thomas Wyss in seiner Kolumne ‚Rote Seite’„bei vielen Fans bis heute als einer der besten Asterix- & Obelix-Geschichten gilt, hat primär damit zu tun, dass der Texter René Goscinny soviel historische, (pop-)kulturelle oder klischierte Anspielungen platzierte wie nie zuvor.“
Ein Beispiel findet sich untenstehend; abfotografiert aus dem Asterix-Sammelordner meines Vaters, dem ihn meine Mutter vor vielen Jahren mal geschenkt hat. Eine Erlaubnis für diese digitale Vervielfältigung besteht nicht. Möge es der klagefreudige Herr Uderzo, seine Verlage und Anwälte als Verneigung verstehen:
Doch es gibt nicht nur Comics zu lesen. Stimmungsvolle Landschaftsaufnahmen fehlen genauso wenig wie Historienmalereien. Im 19. Jahrhundert besann man sich in der Schweiz, wie überall in Europa, auf die Wurzeln für eine nationale Erzählung: Einige Bewohner in der heutigen Region der Schweiz hatten in der Antike durchaus so etwas wie einen neutralen Anspruch. Mit dem helvetischen Stammesführer Divico konnte man sogar einen großen Widersacher des römische Großreich vorweisen. Schlachten tobten, Köpfe rollten, Maler malten:
Gleyeres opulente Martialität spiegelt man am besten mit einem weiteren Zitat aus Thomas Wyss köstlichen Text (mögen Wyss und die Herausgeber von Transhelvetica Milde gegenüber dieses inhaltlichen Raubzugs walten lassen):
„Eigenwillig ist der Schweizer [Asterix]-Band auch darum, weil weniger Römer verdroschen werden als sonst. Genau zu diesem (Gewalt)Thema zeigte das TV-Gesundheitsmagazin ‚Puls‘ vor zwei Jahren einen tollen Beitrag: Neurochirugen hatten nämlich in einem Freizeitprojekt untersucht, wie viele und welche Arten von Kopfverletzungen Cesars Mannen über alle Bände hinweg durch Prügeleien mit Asterix und Obelix davon trugen. Insgesamt wurden 704 Fälle gezählt: 390 Soldaten trugen schwere Schädeltraumata davon, 89 erlitten moderate Kopfverletzungen, 225 erlitten nur ein paar Beulen – und, das ist die wunderbare Welt des Comics: Kein einziger kam ums Leben.“
Inhalt & Werbung
Werbepartner finden sich für das Konzept von Transhelvetica genug, zum Beispiel unter Supermarktketten, Fernglasfabrikanten und Betreibern öffentlicher Verkehrsnetze. Dazu werden Kooperationspartnern an drei Stellen im Heft große redaktionell eingebettete Präsentationsflächen verschafft: Die Rubrik ‚Seitensprung‘ versammelt Tipps zu Paris unter dem Logo der größten Schweizer Fluglinie. In der Rubrik ‚Kunst des Werbens‘ darf ein eingeladener Illustrator auf einer Seite acht kleine Inserate gestalten. Ganz hinten findet sich auf vier Seiten der ‚TH-Reiseführer # 1‘, eine Insertion in der auf vier Seiten eine traditionelle Schweizer Buslinie für Anfahrtsziele in der gesamtes Eidgenossenschaft wirbt.
Natürlich gibt es auch dem Werbeinteresse enthobene Beiträge, wobei man manchmal auch dort einen gewissen Akquisitionerfolgs vermerken kann. Mit der schweizerischen Kulturstifung Pro Helvetia wird Daniel Mezgers prosaische Skizze ‚Asterix in Aventicum‘ als eingehefteter Band realisiert. Es ist die erste Folge der mit dieser Ausgabe neu eingeführten Rubrik ‚Kopfkino‘, in denen junge Schweizer, zugezogene Schweizer oder Exilschweizer thematisch an die Ausgabe angelehnte literarische Texte beisteuern.
Verdikt
Unsereiner aus dem großen Kanton im Norden hat sich mit dem weniger schmeichelhaften Bild vom siebten Asterix-Band zufrieden zu geben: In ‚Asterix und die Goten‘ entwarfen Goscinny und Uderzo eine Geschichte voller kriegslüsterner Pickelhaubenträger, Hexenwerk im dichten Wald und einer für den kindlichen Leser schnell zur Frustration führenden Frakturschrift. Die Goten als Proto-Preußen setzen die gallischen Eindringlinge immerhin ehrlich und handfest in einem Kerker fest, und lassen sie nicht diskret in einem Banksafe verschwinden.
Da bleibt nur zu sagen: Ich freue mich schon auf die Transhelvetica-Ausgabe mit dem inspirativen Stichwort ‚Deutschland‘ mit spannenden Geschichten über das Einkaufsparadies im Norden und dessen ungestümen Bewohnern.