Donnerstag, 20. Juni 2013

MUH – AUSGABE 9, FRÜHLING 2013

MUH - AUSGABE 9, FRÜHLING 2013

„Eines der Hauptmerkmale, mit dem sich die Österreicher selbst definieren ist: Sie sind keine Deutschen. Das ist ein Luxus, den die Bayern leider nicht haben.“

Der australisch-amerikanische Doppelstaatsbürger Martin Karaffa in seiner Kolumne.

Was?

Donnerstags ist Stammtisch. Wir treffen uns dann in einer Kneipe, die mit „fucking good bavarian beer“ wirbt. Der freundliche Wirt bietet in seiner Schankstube mit wechselnder Kunst an den Wänden und einem oft genutzten Klavier fast die einzige Möglichkeit außerhalb Oberbayerns das Bier der seit 1780 in Familienhand befindlichen Privaten Landbrauerei Schönram zu trinken und feine bayerische Lebensart zu genießen.

Diese Lebensart ist in der Zeitschrift für „Bayerische Aspekte“ das große Thema; glücklicherweise ohne dabei in Eskapismus zu verfallen. Die MUH wird in Truchtlaching produziert. Das liegt gut 80 Kilometer östlich von München und nur etwas mehr als 35 Kilometer von der Brauerei entfernt aus der das Bier kommt, welches ich donnerstags zu trinken pflege.

Turnus

Vierteljährlich

Auflage

17.000 Hefte

Vermutete Zielgruppe

Auch oberhalb der Mainlinie kann die MUH in allen besser sortierten Bahnhofsbuchhandlungen käuflich erworben werden. Veranstaltungstipps gibt es keine und so ist mit einem Minimum ethnographischen Interesses auch für Nicht-Bayern eine kurzweilige Lektüre nicht unbedingt garantiert, aber doch möglich.

Haptik

Das Heft ist mit gut 23 mal 31 Zentimetern wenig zierlich. Das ist aber eine Charaktereigenschaft, die man den Bayern ohnehin nicht nachsagen würde. Gestalterisch ist die Zeitschrift manchmal sehr gelungen, wie diese Seite zeigt:

Maibaum Bayern

Manchmal ist es aber auch ein zusammengerührter Matsch aus Farbe, Form und schlechter Zitierung wie hier:

Begradigung Donau

Titel & Inhalt

Wie für Bayern nicht anders zu erwarten, ist das Menü üppig.

Fangen wir beim Titelbild an: Es zeigt die Donau. Eine seit Jahrzehnten im Raum schwebende Planung avisiert den Teilausbau des gewundenen Flusses inklusive Staustufe. So soll die Schiffbarkeit kalkulierbarer werden. Die Öberauer Schleife bei Straubing wurde schon vor Jahrzehnten entsprechend begradigt bzw. ihrer Funktionen enthoben (siehe obige Luftaufnahme mit dem schlechten Layout). Ähnliches war über Jahrzehnte für die flussabwärts gelegene Mühlhamer Schleife geplant. Es entspann sich in den vergangenen Jahren ein typischer Kampf zwischen den Vertretern aus der Wirtschaft (und ihren Argumenten wie „Ein Transportschiff ersetzt 90 LKW’s“) und dem ökologisch orientierten Gegenpart.

Zu diesem Gegenpart gehört auch Georg Gestel vom Bund Natzurschutz in Bayern. Er hinterfragt in einem detailreichen, acht Seiten langen Interview den Sinn eines Ausbaus. Bei der ganzen Diskussion fühle ich mich aber ein wenig an die Konflikte bezüglich der für Aurich geplanten Umgehungsstraße.Horst Seehofer hat als Ministerpräsident unter dem Eindruck des Volkszorns beim Großprojekt des neuen Stuttgarter Hauptbahnhofs – so vermutet Getsel – von der harten Ausbauvariante Abstand genommen. Das Hochwasser in diesem Monat wird vielleicht ein Übriges tun, um den weniger einseitig ökonomisch orientierten Argumenten neue Kraft zu geben.

In einem anderen ausführlichen Interview erklärt Olaf Przybilla, Büroleiter der Süddeutschen Zeitung für Franken, den Fall Mollath. Der Nürnberger Gustav Mollath hatte Ärger mit seiner Frau. Sie wirft ihm vor gewalttätig zu sein, er unterstellt ihr Schwarzgeldgeschäfte hinter seinem Rücken. Ein wackeliger Tatbestand und ein – ohne vorhergehendes Gespräch angefertigtes – psychiatrisches Gutachten attestieren Mollath einen gefährlichen Wahn. Die Ermittlungs- und Analysearbeiten sind aber voller inhaltlicher Mängel, so Przybilla.

Trotzdem ist Mollath seit 2006 ist in der geschlossenen Psychiatrie eingesperrt. Letzte Woche hat er vor dem bayerischen Landtag zwei Stunden lang persönlich Stellung nehmen dürfen. Wenige Tage später sorgte gefälschtes Fax des Landgerichtes Regensburg für Aufregung. Darin wurde die sofortige Entlassung Mollaths angeordnet. Der Versuch ist nicht aufgegangen. Ein böser Witz auf dem Mollath in einem telefonischen Interview, das Przybilla für die Süddeutschen Zeitung (19. Juni 2013) mit ihm führte, recht gefasst reagiert: „Ein Tiefschlag? Ich kenne die Vollstreckungskammer inzwischen gut. Ich weiß, wie sie ihre Entscheidungen trifft. Ehrlich gesagt: Ich habe meine Freilassung nicht für wahrscheinlich gehalten.“ Przybilla sagt in dem Interview mit der MUH wiederum: „Die ihn kennen sagen: Es wird jetzt langsam wirklich schlimm mit ihm. Er ist jetzt einfach fertig mit den Nerven. Er hat lange durchgehalten, aber irgendwann kommt jeder an einen Punkt, wo er nicht mehr will …“

Verdikt

Sitzt man in der preußischen Hauptstadtbahn und blättert in dem großformatigen Heft mit dem recht bescheuerten Namen, dann fühlt man sich beim Erforschen der bayerischen Befindlichkeit oder besser bei der Anatomieuntersuchung dieses charakterstarken Bundeslandes möglicherweise auch ein wenig wie die unten abgebildete Tierärztin:

Tierärztin Kuh

Das macht aber nichts. Im Gegenteil. Heute ist Donnerstag. Zeit für Zwickl aus Schönram. Nächste Woche erscheint übrigens die Sommerausgabe der MUH. In diesem Sinne: Lasst’s krachen!

Donnerstag, 03. August 2017

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