Donnerstag, 13. Juni 2013

DAMALS – 5/2013

DAMALS Zeitschrift 5 2013 Brüder Grimm

„Der Erfolg der 'Kinder- und Hausmärchen' verdankt sich nicht einer wie immer gearteten Treue in der Wiedergabe volksläufigen Erzählguts, sondern im Gegenteil der notorischen Untreue in der Bearbeitung dieser Stoffe. 

Die Volkserzählungen wären in ihrer tatsächlichen Gestalt für die literarische Kultur des 19. und 20. Jahrhunderts ungenießbar gewesen: zu flach, zu vulgär, zu ordinär, zu drastisch, zu zotig, zu unbotmäßig. Keine der späteren wirklich authentischen Sammlungen von Volkserzählungen hat mehr als ein volkskundliches Interesse wecken können. Den bürgerlichen Schichten konnte man nur Märchen präsentieren, die lediglich den Schein nach aus dem Volk stammten, in Wahrheit aber gutbürgerlichen Geschmacksvorstellungen folgten.“

Der Direktors des Instituts für Jugendbuchforschung Prof. Dr. Hans-Heino Ewers mag hier vielleicht auch den nachträglichen Eingriff in das Vokabular von Ottfried Preußlers Werk erklären.

Was?

Einem nicht weiter nachgeprüften Vorurteil zufolge, scheint der Markt für historische Zeitschriften zu boomen. Die größten deutschen Medienverlage veröffentlichen – schon seit einiger Zeit und meistens unter der Marke eines ihrer Schlachtschiffe – monothematische Hefte wie GEO Epoche, DER SPIEGEL GESCHICHTE oder ZEITGeschichte. Diese Titel behandeln dann in aller Tiefe runde Jahrestage und ähnliches. Mit dem seit 1969 erscheinenden Titel DAMALS geht der Heidelberger Konradin Verlag in eine andere Richtung und setzt auf thematisches Allerlei.

Inhalt

Immerhin sind aber 32 der insgesamt 86 Seiten einem Dossier über Jacob und Wilhelm Grimm vorbehalten. In sieben Artikeln werden Biographie der beiden Frühgermanisten, ihre politische Laufbahn und natürlich das literarische, philologische und editorische Schaffen umrissen.

Die Grimms also; diese beiden Typen vom 1.000 Mark-Schein (Serie BBk III) sind neben ihren ganzen anderen Tätigkeiten ja vor allem als Märchensammler bekannt. Und hier haben wir dann auch das Jubiläum, ohne das es bei historischen Rückblicken in Zeitungen und Zeitschriften einfach nicht geht: Vor 200. Jahren erschein der erste Band ihrer ‚Kinder- und Haus-Märchen‘.

Unten zu sehen: Die beiden Grimms lauschen Dorothea Viehmann Stoff für den zweiten Teil ab. Schaut man auf den Rechten, bekommt man den Eindruck, dass das alles nicht sehr appetitlich war. Wie man nach der Lektüre von DAMALS weiß, haben sich die Brüder übrigens lieber besuchen lassen als in irgendwelchen muffigen Bauernstuben rumzuhängen.

Grimm Brüder Dorothea Viehmann

Wenn man kein Interesse an den Brüder Grimm hat (was schade wäre), bieten die verbleibenden 54 Seiten des Magazins genug Abwechslung: Wer sich für das 20. Jahrhundert interessiert kann den vierseitigen Artikel über die sowjetische Intervention in Afghanistan lesen. Noch mehr Militärgeschichte bietet ein Text über die Entstehung des stehenden Heeres in Preußen im 18. Jahrhundert. Mittelalter-Fans kommen bei ‚In goldenen Ketten“ auf ihre Kosten, der die luxuriöse Gefangenschaft vom französischen König Johann II., auch genannt Jean le Bon (der Gute), in England beschreibt. Und wer den diesjährigen Wagner-Alarm (200. Geburtstag) noch nicht vernommen hat, kann sich hier auf sieben reich bebilderten Textseiten einen schnellen Überblick über die wichtigsten Lebens- und Schaffenstationen von Adolf Hitlers Lieblingskomponisten verschaffen.

Layout

Sollte ich nochmal eine Band starten, würde hiermit das Cover vom Demo und erste T-Shirt Motiv stehen:

Nibelungen Drache

Turnus

Monatlich

Persistenz

Seit 1969

Auflage

Rund 23.000 Hefte

Preis

6,90 (D), 7,50 (A/L), 13,50 CHF

Verdikt

Anders als all diese monothematischen Hefte, ist DAMALS genau das was eine gute Zeitschrift sein sollte: Ein zielgruppengerecht zusammengestelltes und trotzdem variantenreiches Menü von Informationen aus denen man sich heraussuchen kann, was dem eigenem Geschmack und Interesse am nächsten kommt.

In diesem Fall habe ich das Menü aufgefressen, jeden Wissenskrümel in mich hinein gespachtelt. Geschichte, so behauptete ja einst der Theaterautor und Romancier Alan Bennett, ist einfach nur eine verdammte Sache nach der anderen. Sicher ist es eine denkbar einfache Wissenschaft. Historiker müssen nicht unbedingt denken, sondern Wissen absaugen wie die Grimm Bro’s ihre Märchen und Schüler ihre Musik, Filme und Computerspiele. Nur werden Zweite nie auf einer Geldnote verewigt. Wo war im 19. Jahrhundert eigentlich das Urheberrecht?

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