IWMpost – NO. 109 • JANUARY – APRIL 2012
"According to [Walter] Benjamin, the sad figure of the sandwich board man was the last incarnation of the flâneur. In a way, we have all become such sandwich board men, walking the cyber-streets of Facebook with invisible advertisments hanging off our online selves. The only difference is that the digital nature of information has allowed us to merrily consume songs, films and books even as we advertise them, obviously."
Was?
Das Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) wurde 1982 von Krzysztof Michalski in Wien gegründet. An diesem Institut residieren jährlich gut 50 Stipendiaten unterschiedlicher Fächer, die nicht nur als Forscher, Gäste und Redner bei IWM-Veranstaltungen in Erscheinung treten, sondern auch als Autoren für die dreimal im Jahr erscheinende, kostenlose Zeitschrift IWMpost.
Auflage
7.ooo Exemplare
Inhalt & Verdikt
Neben Evgenys Morozovs recht lockerer Auseinandersetzung mit der Domestizierung des Internets, gibt es in der englischsprachigen IWMpost auch dickere Bretter gebohrt. So versucht der Berliner Politikwissenschaflter Claus Offe in der Titelgeschichte ‚2 1/2 Theories on Democratic Capitalism‘, die – „for want of a better name“ – globale finanzmarktdynamisierte Postdemokratie von den Modellen der Sozialdemokratie und dem Wirtschaftsliberalismus abzugrenzen und ihre derzeitigen Symptome zu beschreiben.
Der im Grunde alle drei Demokratieformen umfassende, aber in der gegenwärtigen Auseinandersetzung besonders für den letztgenannten Typus verwendete Begriff des Demokratischen Kapitalismus wurde 2011 von Wolfgang Streek in von Offe zitierten (aber im Fließtext falsch datierten) Zeitschriftenaufsätzen als langfristige, strukturelle Gefahr für den westlichen Wohlstand und die demokraktische Freiheit erkannt. Beides versumpft in voranschreitender Staatsverschuldung und der damit zunehmenden Handlungsunfähigkeit im öffentlichen Sektor, was ein wachsendes Misstrauen der Menschen in ihre gewählte, politische Vertretung nach sich zieht.
Obwohl Offes knapp zwei Seiten langer Text einer konkreten Herleitung ermangelt, was er selbst auch einräumt, gibt er eine aufschlussreiche Beobachtungen von vier Trends im von Staatsbankrott, nationalstaatlichen Befugnisseinschränkungen und Überalterung geprägten Europa dieser Zeit: das Entstehen gut organisierter Bürgerhilfe (vor allem in der gebildeten, urbanen Mittelklasse), plötzliche Ausbrüche von gewaltsamen Protesten (meist ohne erklärtes politisches Ziel), Aufwind rechtspopulistischer Aktivität (inklusive Propaganda von nationalem Isolationismus und nichtdemokratischer Integration Gleichgesinnter) und zuletzt die mitunter verzweifelten Versuche (so Offe) politische Partizipation noch direkter umzusetzen. Als Assoziationshilfen müssen hier die Stichworte Mitfahrgelegenheit, Proteste in Athen, Anders Behring-Breivik und die Piratenpartei ausreichen. Zuzüglich gibt es noch folgende Literaturhinweise:
Jaja, die 20 Seiten IWMpost haben es in sich. Fun-Fact: der deutschsprachige Wikipediaeintrag zu Postdemokratie entstand bereits neun Monate vor dem englischen, nämlich am 14. Juli 2006.