MELODIE & RHYTHMUS – März/April 2012

„Mit ihrem sechsten Album reiten The BossHoss weiter tapfer dasselbe, nun doch recht alte Pferd zu Tode. […] So souverän die Unternehmung musikalisch bisweilen ist: Das Abdrucken der in bestem Schulenglisch gehaltenen Texte hätte man besser allen Beteiligten erspart“
Was?
Noch ein alter Titel aus dem ehemaligen SBZ-Gebiet. Was vom Namen her ein wenig an das altehrwürdige Sinn Und Form-Journal erinnert, ist wohl mal so etwas wie die Bravo des Ostens gewesen. Wie die Legende und der Wikipedia-Artikel erzählen, war das Magazin damals in der DDR begehrt wie jugoslawische Herrenhüte.
Nach der Wiedervereinigung erlitt Melodie & Rhythmus das Schicksal so vieler Ost-Publikationen: Hin- und Hergeschiebe zwischen Verlagshäusern, zwischenzeitliche Einstellung und Neugeburt im kleinen Rahmen. Inzwischen ist der Verlag 8. Mai das Zuhause dieses Musikmagazins. Dort erscheint auch ein anderes DDR-Relikt, die Junge Welt.
Turnus
Monatlich
Verbreitungsgebiet & Erwerbsgeschichte
Untersuchen wir statt der Auflage doch das Verbreitungsgebiet: Melodie & Rhythmus gibt es auch am Bahnhof in Pasewalk (Landkreis Vorpommern-Greifswald) zu kaufen. Das kann man weder vom Musikexpress noch von der Spex behaupten.
Dieses Exemplar kam auf meinen Wunsch hin in das Büro getrudelt.
Preis
4,90 Euro
Vermutete Lesergruppe
Vielleicht, sicher nicht nur, aber bestimmt auch als Lesergruppe ganz fest ins Auge gefasst: Die alten Fans dieser Zeitschrift.
Inhalt
Nichts geht über eine ordentliche Schmähkritik. Auch in Melodie & Rhythmus versucht sich Henning Richter an dieser Königsdiszplin der ShowBiz-Berichterstattung, was durchaus Lektürespaß bringt:
Selbst die Doors hat er nicht von Kritik verschont, was auch in Ordnung ist, auch wenn sie ja im Grunde gar nicht überbewertet werden können.
Layout
Zwei Fotos. Ein Mann und eine Frau, beide von Gesicht bis zur Schulter abgebildet, sind trotz unterschiedlicher Zugänge zur Pop-Musik mit gleichberechtigter Berechtigung in einer Musikzeitschrift nur vier Seiten voneinander entfernt.
Erstens, der Mann: Der britische Radio-DJ John Peel ist eine Legende. Über 2.000 Bands haben live in seiner Show gespielt, was auch zu einer Schallplattenreihe mit dem Titel ‚Peel-Sessions‘ führte. Wenn Peel irgendwas cool fand, dann gilt das gefälligst für alle Musikjournalisten, die ihm folgten, es sei denn sie wollen sich unbedingt mit einer exotischen Eigenmeinung profilieren. Eine der musiktheoretischen Leistungen Peels war die Erfindung des Terminus ‚Krautrock‘ für deutsche Gitarrenbands in den frühen 1970er Jahren. Deswegen ist auch über den Artikel über Krautrock ein großes Foto von ihm abgebildet. Als Verneigung vor diesem Chronisten, Zeremonienmeister und Propagandisten des Rock’n’Roll-Zirkus sei es hier erneut und ohne Erlaubnis, aber mit Nennung des Fotografen Heinrich Klaff verbreitet.
Zweitens, die Frau:Lana Del Rey ist eine Sängerin, die ich bisher nicht so verfolgt habe. Aber als ich mir bei YouTube einige Videos angeschaut habe, war dann doch das Gefühl des Wiederkennens nicht von der Hand zu weisen. Del Rey ist jünger als Peel und zieht eine rosane herzförmige Sonnenbrille der weiß-fleckigen Strandmütze vor. Außerdem trägt sie Kette und Ring separat, statt Ring an Kette.
Verdikt
Insgesamt ist Melodie & Rhythmus vielleicht etwas zu bodenständig und zu wenig genrespezifisch für solche, die ohne Hype, Himmelei und Hysterie über Musik lesen wollen. Ich halte es genau deswegen für saugut und ein Abo wert.