Donnerstag, 21. Juni 2012

SINN UND FORM – VIERUNDZWANZIGSTES JAHR / 1972 / ZWEITES HEFT / März

Sin und Form 1972 Ulrich Plenzdorf

„Ich weiß nicht, was er hatte. Garantiert alle diesen guten Bücher. Aber nach Größe geordnet. Ich sackte einfach zusammen. Weiter unten hatte er reihenweise Marx, Engels, Lenin. Ich hatte nichts gegen Lenin und die. Ich hatte auch nichts gegen den Kommunismus und das, die Abschaffung der Ausbeutung auf der ganzen Welt. Kein einigermaßen intelligenter Mensch kann heute was gegen den Kommunismus haben. Dagegen war ich nicht. Aber daß man Bücher nach Größe ordnet zum Beispiel. Den meisten von uns geht es so.“

Es lehnt sich weit aus dem Fenster: DDR-Autor Ulrich Plenzdorf in der Erstfassung von Die Neuen Leiden des jungen W.

Was?

Sinn und Form ist mit dem bereits hier besprochenen Merkur eine der ältesten existierenden deutschen Zeitschriften für lange Texte.

Anders als beim Merkur ist und war man nie sehr transatlantisch orientiert, denn Sinn Und Form kommt aus dem anderen Deutschland und zwar aus dem Osten. Erich Honecker bezeichnete die Zeitschrift in einem Grusswort zum 40. Geburtstag (auch 40. Jubiläum der DDR) als „weltweit beachtetes Gütezeichen der sozialistischen Nationalkultur der Deutschen Demokratischen Republik“. In aktuellen Werbeanzeigen für Sinn Und Form wird dieses Zitat nicht mehr verwendet.

Turnus

Zweimonatlich

Erwerbsgeschichte

Diese Ausgabe bekam ich für lächerliche 6 Euro zzgl. Versandkosten beim Antiquariat Ballon und Wurm (Berlin-Prenzlauer Berg). Im Grunde steht hinter dem Erwerb schon wieder der missglückte Versuch eines regelmäßigen Bezugs.

Anfang des Jahres bietet Sinn und Form sogenannte Neujahrsabos an. Sie sind befristet und man bekommt noch ein altes Heft nach Wahl geschenkt. Ich hatte mir für den Leser die Ausgabe 4 / 1989 gewünscht. Es ist jene Ausgabe mit dem Honecker-Grußwort. Diese wurde mir auch vom Aboservice, der tableau GmbH zugesichert, aber sie kam genauso wenig, wie andere Hefte. Dasselbe passierte mir beim – inzwsichen in einer kreative Pause befindlichen – OPAK Magazin.

Man kann das hochempfindlich nennen, aber mir vergeht die Kauflust halt schnell. Anders als bei OPAK musste ich nicht mal stornieren. Bis jetzt ist nichts gekommen. Eine Antwort meiner E-Mail-Nachfragen bleibt mir tableau bis heute schuldig.

Zurück zu dieser Ausgabe: 1972 war die Beschaffung des Blattes (geschweige denn ein regelmäßiger Bezug) für die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik nicht ganz einfach. Man munkelte, dass Sinn Und Form in seiner Position als Vorzeigeplattform der DDR-Literatur ohnehin für den bundesrepublikanischen Leser zugedacht war. Der Klassenfeind bekam es entweder durch Vermittlung des Verlags oder über die Deutsche Buch-Export und -Import GmbH, die den Vertrieb von Lesematerial, Tonträgern und sogar von Briefmarken und Tapeten über den Eisernen Vorhang hinweg regelte. Direkt dem Ministerium für Außenhandel und dem Ministerium für Kultur unterstellt, wurde der Laden 1990 abgewickelt.

Vermutete Lesergruppe

Eher Germanistik-Professoren als Deutschlehrer.

Titel & Haptik

In der Gestaltung hat der Graphische Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden mit mittelmäßigen Material großartiges geleistet.

Eher Buch als Zeitschrift, setzt man bei Sinn und Form gestalterisch auf Typographie. Bilder gibt es nicht. Nur auf der Rückseite des Umschlags ist ein kleines Signet zu finden:

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R & L steht für den Verlag Rütten und Loening, der zwischen 1951 und 1990 unabhängig in beiden Teilen Deutschlands existierte, was mich an den Insel Verlag denken lässt. Nach der Wende erschien Sinn Und Form im Aufbau Verlag, der sich Rütten und Loening einverleibte. Daher wurde der bücherhaltende Greif mit dem ersten Heft von 1994 durch den AV-Zacken abgelöst. 2010 verschwand auch der Aufbau Verlag von der Rückseite und der Schriftzug der Akademie der Künste ist seitdem Hinweis auf einen Herausgeber. Der derzeitige Chefredakteur Sebastian Kleinschmidt war übrigens schon vor Mauerfall fester Mitarbeiter.

Das Einzige was sich seitdem äußerlich mit jeder Ausgabe von Sinn Und Form ändert, ist die Farbe der Schärpe, die bei diesem Heft gelb ist und nach 40 Jahren an den Rändern des Einbandes langsam einreißt. Der Umschlag in einem dezent-elfenbeinfarbenen Grundton gehalten, der sich bei dieser Kopie immer mehr abdunkelt. Stockflecken sind Geburtsstätten erster kleiner Löcher. Im Innenteil ist das raue und holzspanhaltige Papier bei jedem Umblättern ein wunderbare Abwechslung für meine ansonsten glattes Hochglanzpapier, Glasflächen und Plastiktasten gewöhnten Fingerkuppen.

Inhalt

Was meine Wahl gerade auf diese Ausgabe fallen ließ, ist die erste Druckversion von Ulrich Plenzdorfs Die neuen Leiden des jungen W., einem melodramatischen Jugendstück mit antisozialen Tendenzen. Frei nach Goethe entwickelt der Blue Jeans-Fan und Rumtreiber Edgar Wibeau eine heftige Zuneigung zur bereits vergebenen Kindergärtnerin Charlie und stirbt am Ende der Geschichte durch eigenes Verschulden. Unbedingt lesenswert; vor allem weil die Sinn Und Form-Version noch knapper erzählt ist als die ein Jahr später veröffentlichte Romanfassung (Plenzdorfs Montage-Drama wurde medial ausgeschlachtet: 1974 folgte dem Roman ein Hörspiel, 1976 die Verfilmung und zuallererst waren die Neuen Leiden ohnehin ein Theaterstück).

Neben solcher Prosa gibt es auch handfeste Literaturwissenschaft. Ich habe von dem analytischen Teil wenig gelesen und deswegen müssen die Überschriften herhalten. Das Zitat von Walter Benjamin ist was für’s Poesiealbum:

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Diese Überschrift würde auch hervorragend als Unterzeile für den Leser taugen:

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Und hier die große Irreführung dieser Ausgabe:

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Während ich dachte, es würde sich bei Alois Hofmans Text um eine Nachforschung zu tschechischen Emigranten auf Kuba handeln, ist es eigentlich eine Nachforschung zum Schriftsteller Kurt Barthel a.k.a. Kuba und seinem Wirken in der Tschechoslowakei bis 1939. Dort hat er sich als Zeitungsverkäufer, Leiter der Spielgruppe „Roter Stern“ und als Reporter für die Zeitschrift Rote Fahne hervorgetan. In dieser Heldensaga der sozialistischen Literaturwissenschaft liest man von „satten Bürgern und hungrigen Proletariern“ und bekommt so ein ganz gutes Gefühl dafür wie erstickend wichtig und „richtig“ und unentrinnbar der Kommunismus, Marxismus, Sozialismus, Was-auch-immer-Ismus in der DDR beizeiten gewesen sein muss.

Verdikt

Meine Unernsthaftigkeit und der untätige Aboservice schließen mich wohl aus der Zielgruppe aus. Trotzdem: Es gibt ein gutes Gefühl, versöhnlich mit dem Literaturbetrieb der DDR umzugehen und ihm sich hinzugeben.

Montag, 13. März 2017

SIBYLLE 6/89

Sibylle Magazin 1989
Donnerstag, 09. Juni 2016

BUNTE ÖSTERREICH – Nr. 31, 28. Juli 1970

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DER PLATOW Brief – Nr. 5 | Freitag, 15. Januar 2016

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Diskus 70 – 4/2014

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Transhelvetica – #27, März–April 2015

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DAS MAGAZIN – JULI-AUGUST 2012

Das Magazin Juli August 2012
Donnerstag, 10. April 2014

DE:BUG 181 – 04.2014

DeBug 181 April 2014 letzte Ausgabe
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Akzente – Heft 1/Februar 2003, Heft 6/Dezember 2011

Akzente Februar 2003 W. G. Sebald
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