Neue Post – Nr. 7, 12. Februar 1983

"Harter Schinken wird genießbar, indem man ihn 15 Minuten in Milch legt."
Was?
1961 sicherte sich der Hamburger Heinrich Bauer Verlag – heute Bauer Media Group – mit der Übernahme der Neuen Post, „Deutschlands großer Wochenzeitschrift“, einen Platz unter den Schwergewichten des europäischen Klatschzeitschriftenmarktes, die durch den Kauf des Neuen Blatts bei Axel Springers Groß-Deal im Jahr 1968 noch ausgebaut wurde.
Auch heute noch setzt der Verlag mir der 1948 gegründeten Neue Post „ganz bewusst auf die Nähe zum Leser“. Im Netz ist mit der Plattform WUNDERWEIB.club ebenfalls ein enges Band zum Leser geknüpft. Dieser kann sich glücklich schätzen, denn …
„Die vielfältigen Inhalte sind sorgfältig recherchiert, hochwertig aufbereitet und werden von zuverlässigen Expertenmeinungen unterstützt. WUNDERWEIB zeichnet sich durch eine klare Struktur, eine intuitive Benutzerführung sowie einen emotionalen Look aus, der durch umfangreiches, hochwertiges Bildmaterial unterstützt wird.“
Dasselbe kann man auch umstandslos von der Ausgabe der Neuen Post vom 12. Februar 1983 behaupten.
Auflage
Angabe im Impressum: „2,275 Millionen (QIV/1982)“
30 Jahre später ist die Auflage auf unter ein Drittel gesunken und zwar auf 697.465 (QI/2012)
Preis
DM 1,70 (2012: € 1,50)
Bezug
Kürzlich wurde mir ein generöses Geschenk gemacht. Ich bekam diverse originale Zeitung vom Datum meines Geburtstags. Darunter war eine Zeitschrift, die etwas später erschien. Es war die Neue Post. Sie schien mir unter den alten Zeitungen die zugänglichste zu sein. Mehr aus diesem Fundus wird folgen.
Vermutete Lesergruppe
„Frauen ab 50 Jahren“ gibt die Bauer Media Group im Produktprofil der Neuen Post auf der Website an. Viele Inhalte lassen auch keinen anderen Schluss zu. Die Comic strips liefern lauwarme Witzchen auf Kosten der scheinbar machtbesessenen, untreuen, Hut tragenden und letztendlich jämmerlichen Figur des Ehemanns.
Inhalt
Apropos Ehemänner: In den Berichten aus der „internationalen Gesellschaft“ wird über den potentiellen achten Gatten von Elizabeth Taylor gemutmaßt, dem mexikanischen Anwalt und Millionär Victor Luna. Er blieb aber eine Randfigur im Leben der großen Hollywood-Schauspielerin und Schmuckliebhaberin. Ihr enges Band war schon 1984 wieder gelöst.
Verheiratet hat sich Taylor erst wieder 1991 mit dem Bauarbeiter Larry Fortensky. Die beiden hatten sich im Betty Ford Center kennengelernt. Es war Taylors letzte Ehe und sie wurde 1996 geschieden.
Auch politische Berichterstattung gibt es. Warum aber endet die Nachricht von Margaret Thatchers Einzug an die Spitze der meistgehassten Figuren bei Madame Tussauds mit den Worten Marilyn Monroe?
Haushaltstipps dürfen bei diesem Titel nicht fehlen. Die Stromverteilung in deutschen Haushalten nahm 1983 mit der Sechsfach-Steckdosenleiste eine neue Dimension an. Im selben Jahr knackten übrigens die Verkäufe von Videorekordern die Millionenmarke. Die Einführung des Privatfernsehens gab einige Monate später zusätzlichen Schwung in die Elektrifizierung des Feierabends. In dieser Ausgabe aber passt das Fernsehprogramm vom 19. bis 25. Februar noch locker auf eine Seite.
Drama aus dem echten Leben sind ebenfalls sparsam eingestreut:
Noch mehr Drama findet sich in „Vergib mir wenn du kannst“, dem großen abgeschlossenen Roman von Erika Türpitz, der sich über ganze vier Seiten streckt. Der Plot: Ärztin Dagmar ist mit Staatsanwalt Detlef Conrady liiert. Conrady sucht einen Juwelendieb. Dagmar trifft ihre Jugendliebe Björn … Weiter habe ich es leider nicht geschafft.
Layout
Mehr schwarzweiße Seiten als farbige.
Verdikt
Mit der Aburteilung dieser Publikation hat man leichtes Spiel. Zumindest scheinbar. Die Neue Post sollte als Alltags-Ratgeber und leichte Lesekost jedoch unter keinen Umständen unterschätzt werden. Für die Zielgruppe, die Leserinnen ab 50 Jahren, ist die Neue Post ein Kessel Buntes, ein Fenster zur Welt, Unterhaltung, Rätselspaß und hier und dort ein „Gott-sei-Dank-habe-ich-es-nicht-so-schlecht-wie-die“.
Anders gesagt: Für westdeutsche Langzeitehefrauen sind Zeitschriften wie die Neue Post die Milch für den harten Schinken der Realität. Wieso sollte man sie saurer machen als sie ist?