DER FREUND Nr 8
"MARK HAUBENBORN: Nickel, der Nickel? Von dem kommt auch nichts mehr, schon länger.
DANIEL WINDER: Seit Jahren
MARK HAUBENBORN: Ein Erzählungsband, paar dünne Erzählungen, Schmonzetten eher. Dann irgendein Literaturmagazin, geschätzte Auflage dreihundert, Dünnbrettbohrer.
DANIEL WINDER: Hat mit seinem Gschpusi Kracht ...
MARK HAUBENBORN: Popliteraten. Pfui. Schwuler Mist, immer nur Partytalk, was die für Jackets anhaben, gekünstelt wie nichts, da fehlt das wahre Leben. Wohin das führt haben wir bei Stuckrad-Barre gesehen. Neulich so ein Internet-Buch veröffentlich. Die sind alle nicht nur von Daniel Kehlmann überholt worden, sondern auch von Gevatter Zeit. Brinkmann, Fauser, das war Pop. Nicht so ein eitler, ich-bezogener Quatsch."
Was?
Hier ist die letzte Ausgabe der gemeinsamen Zeitschrift von Christian Kracht (ehemaliger König der Popliteratur, jetzt angeblich Nazi oder auch nicht) und Dr. Eckhart Nickel (Freund vom König). Ihre Redaktion saß inzwischen in San Fransisco und nicht mehr in Kathmandu.
Turnus
Der Freund war ein temporäres Projekt. Zwischen Herbst 2004 und Sommer 2006 erschienen acht Ausgaben bei Axel Springer, welcher nach der Einstellung den SCOOP!-Wettbewerb ausrief. In dessen Folge entstand das Reportage-Magazin Human Globaler Zufall. Nach zwei Jahren und trotz großen Lobs war auch damit Schluss. 2010 machte man irgendwas mit Internet. Derzeit scheint das Förderangebot für Zeitschrift eingestellt zu sein.
Kioskpreis-Inhalts-Verhältnis
Gesamtseitenzahl inklusive Titelblatt: 120 Seiten
Ganzseitige Anzeigen: Keine, was die Macher, als auch Feuilletonisten sehr bemerkenswert fanden. Naja, mit der Bild-Zeitung im Rücken …
Preis: 10 Euro
Format: Mit 21cm x 25cm fast quadratisch
Preis pro Inhaltsseite: 8 Cent
Gefühlte Wertigkeit: Angemessen
Erwerbsgeschichte
Vermutlich am Siegener Bahnhofskiosk gekauft. Dort hatte ich mir auch die erste Ausgabe besorgt, die mich aber sehr verwirrte und ich mir erstmal keine weitere Nummern, geschweige denn ein Abonnement zulegte. Das zwanzigseitige Interview mit des Werbemenschen Holm von Czettritz war mir damaligen Erstmsemester dann doch etwas zu lang und befremdlich. Bei dieser, der letzten Ausgabe, des Freund wurde ich dann aber nochmal neugierig.
Layout
Keine Fotografie, was Machern und Feuilletonisten erst recht eine Bemerkung wert war. Kürzlich schaute ich mir erneut den Film ‚La Guerre du feu‘ an und beendete die Lektüre von Rüdiger Nehbergs Autobiographie (die zum 70. Geburtstag, nicht die zum 75. Geburtstag). Deswegen kann ich mit den Illustrationen für das Porträt von Park Chan-wook sehr viel anfangen.
Um es mit den Worten der Bostoner Band The Rival Mob zu sagen: „I’m going back the old ways … I’m living hard and cold and real“
Leider sitze ich gerade an einem MacBook in Berlin und schreibe einen Blog. Weiter kann Wunschdenken und Realität nicht auseinander klaffen. Immerhin habe ich einen Kumpel, der gerade Urlaub in Griechenland macht.
Verdikt
Stilsicherer Schalk lauert in jeder Zeile und macht aus der Lektüre des Freund ein schöngeistiges Misstrauensverhältnis. Allein weil Kracht und Nickel mir mit ihren ironischen Buchbesprechungen den Begriff Rezensorium Nahe brachten, kann ich dieses Magazin uneingeschränkt empfehlen.