The New Yorker – Dec. 6, 1993
"COOL RUNNINGS – The filmmakers take the adventure of the 1988 Jamaican Olympic bobsled team and turn it into a kiddie movie – almost a toddler movie."
Was? (und Auflage)
Hier haben wir ein Produkt von Condé Nast Publications, die unter anderem auch alle Vogue-Ausgaben dieses Planeten herausgeben. Die verkaufen sich so gut, dass freilich auch die Belegschaft des New Yorker einige Räume im One World Trade Center beziehen darf.
Kioskpreis-Inhalts-Verhältnis
Gesamtseitenzahl inklusive Titelblatt: 152 Seiten
Ganzseitige Anzeigen: 36 Seiten und noch eine Menge von Seiten mit mehr Anzeige als Inhalt. Also zählen wir einfach fünf Seiten hinzu und kommen auf 41 Seiten. Wenn man sich eine aktuelle Ausgabe des New Yorker anschaut, wird schnell deutlich wie sehr die ganzen Inserate kleinerer Firmen abgenommen haben. Kostenlose Reproduktion von Werbung verbietet sich hier grundsätzlich. In diesem Fall sei ein beklemmender Einblick in amerikanisches Unternehmertum gestattet:
Außerdem präsentiert Elizabeth Taylor auf Seite 30 das Parfum „Fragrant Jewels“ und der Erstversicherer AIG wirbt gleich über eine Doppelseite mit dem Slogan: „Why reforming our liability system is essential if America is to succeed in overseas markets.“
Das Jahr 1993 war übrigens auch in Amerika noch Prä-Internetzeitalter. Alle Geschäfte werden mithilfe einer Hotline abgewickelt. Eine URL-Adresse sucht man vergeblich.
Preis: $ 1,95. Die Ausgabe Dec. 5, 2011 liegt schon bei 5,99. Heftiger Preisanstieg, finde ich.
Format: So wie das Time.
Preis pro Inhaltsseite: Anderthalb Cent.
Erwerbsgeschichte
Ebay! Allerdings war Verkäufer collectors_world_inc in seiner Artikelbeschreibung etwas nachlässig. Von der halb herausgerissenen Seite 20 war nichts zu lesen. Was tun? Genau: Auf eine Beurteilung gänzlich verzichten und nie wieder kaufen. Das nennt man generöse Kundenkulanz.
Vermutete Lesergruppe
Noah Masterson fasst seine Nutzer-Medium-Beziehung folgendermaßen zusammen:
„I consider it the greatest magazine the world has ever produced but I recognize that part of its appeal is that it makes you feel like a member of an exclusive club of sophisticated Manhattan liberals. There is just enough low-brow, off-beat content to keep the snobbishness from being insufferable, but even as you read profiles of B-list celebrities like Anna Faris, or extensive reportage in tugboats and tugboat owners, you visualize the typical New Yorker reader chuckling ironically in a tweed suit.“
Titel
Gut geeignet für Wiederverwertung auf Konzertplakaten, für Anti-Gen-Mais-Proteste und als Analogquelle für angenehmes Gelb.
Inhalt & Turnus
Neben der Rubrik ‚Movies in Brief‘ gibt es im New Yorker auch den ‚A Reporter At Large‘ . In dieser Ausgabe gibt es tatsächlich nur einen Reporter. Dieser Reporter – Mark Danner – erzählt uns am Nikolaustag vor 18 Jahren von dem politischen Schlachthaus, dass Mittelamerika Ende der 1970er, Anfang der 1980er war.
Allein schon durch seine Überlänge erhebt dieser Beitrag dieses Heft zur Ausnahmeerscheinung. ‚The Truth of El Mozote‘ (hier in voller Länge) ist nach John Herseys ‚Hiroshima‘ (erschienen im August 1948) erst der zweite Beitrag, welcher den gesamten Hauptteil vom New Yorker ausmache durfte. Die Reportage scheint gerade zu kurz für eine eigene Buchveröffentlichung (die unweigerlich erschien), aber ist doch unüblicher Lesestoff für ein wöchentlich erscheinendes Stadtmagazin mit Veranstaltungsteil.
Layout
Nach dem Reportagejournalismus gehen wir gleich über zum zweiten wesentlichen Charakteristikum dieses Magazins: die Bilderwitze:
Verdikt
1. Finanziert wird der New Yorker durch ein Magazin, das ein weltumspannendes Modediktat anstrebt
2. Vermeintliche Zielgruppe sind kichernde Träger von Tweedanzügen , die nach Betrachtung der Anzeigen mindestens so viel Bezug zu Segelmode und Delphinketten haben, wie zu schmutzige Kriege in Mittelamerika.
3. Trotzdem hat man bei der Lektüre von Mark Danners Text das seltene Gefühl, dass hier nicht ein Journalist von anderen Journalisten abgeschrieben hat. Überraschend, akribisch, weitsichtig und ganz und garnicht leichtfertig; das sind die Essays und Reportagen im New Yorker. Das macht jede Verlags- und Zielgruppe vergessen, mag sie noch so unsympathisch sein.