Frankfurter Allgemeine Zeitung zur Buchmesse 2 – DONNERSTAG, 13. Oktober 2011
"Wissen Sie, ich blicke ja mit einem eigenartigen Fatalismus auf diese Finanzkrise, Es geht ja, wenn ich das richtig verstehe, hauptsächlich um fiktionale Werte. Um ein Vertrauen in ein System, das unbedingt aufrechterhalten werden muss, weil sich niemand vorstellen kann, was sonst geschieht. Und entweder trudelt das alles noch eine Zeitlang weiter, oder es kracht richtig."
Was?
Zur Buchmesse gönnt man sich bei der Frankfurter Allgemeinen das Vergnügen, auch mal Klatschblatt sein zu dürfen. Die Zeitung zur Buchmesse hat ein wenig was von Zeltlagerzeitung. Solche Teile lese ich als Teilnehmer der entsprechenden Zusammenrottung gern, auch wenn mich ständig das Gefühl beschleicht, alles verpasst zu haben.
Turnus
Fünf Nummern im Jahr, alle innerhalb einer Oktoberwoche.
Kioskpreis-Inhalts-Verhältnis & Erwerbsgeschichte
Gesamtseitenzahl inklusive Titelblatt: 24 Seiten
Ganzseitige Anzeigen: Sieben Seiten, davon fünf Eigenwerbung.
Preis: Eine Sekunde Scham, wenn man gerüchtegeil den stimmgewaltigen Verteilern am Messeeingang ein Exemplar abnimmt.
Format: Halbes Nordisches vielleicht.
Preis pro Inhaltsseite: Messeticket ist Muss.
Vermutete Lesergruppe
Hauptsächlich jene Messeaussteller und Fachbesucher, die sich zwischen zehn und halb elf mit Kaffee in der Hand und Kater im Kopf in den immer unaufgeräumteren Messeständen noch ein wenig vor dem Visitenkarten-Austauch-Wahnsinn verstecken.
Inhalt
In den Kolumnen neben dem Hauptteil finden sich ganz interessante Veranstaltungstipps die man aber eh nicht wahrnimmt, um dann am nächsten Tag wieder traurig deren begeisterte Zusammenfassung zu lesen.
Außerdem: angenehmes Bashing der Handelskette Thalia, ein Interview mit dem isländischen Literaturschwergewicht Halladór Gudmudson und zwischendurch wird es dann arg albern:
Verdikt
„Die Amis sind erst Pleite wenn die kein Papier und keine Farbe mehr haben, um Dollars zu drucken.“, war die Weisheit, die mir am Donnerstagabend ein Banker und Tischnachbar in der Apfelweinwirtschaft „Kanonesteppel“ zuraunte, als mir gerade der zweite Mirabellenlikör neben das halbe Glas Federweißer gestellt wurde. Der Mann war froh, mal mit jemandem von der Buchmesse zu quatschen. Er hatte schon nach Feierabend fast Reinhold Messner mit seinem Fahrrad gerammt, der sich davon aber unbeeindruckt zeigte. Über Reinhold Messner könnte man gleiches sagen wie über die amerikanische Notenbank. Erst wenn es kein Papier und keine Tinte gibt, würde er aufhören Bücher zu publizieren. Allein vier Neuerscheinung oder überarbeitete Alt-Bestseller waren es in diesem Jahr.
Als ich am nächsten Morgen in der Küche einer teuren Apartmentwohnung in Sachsenhausen die Zeitung abfotografierte – standesgemäß angekatert – war mir klar, dass hier was am Gären ist:
Diese, sowie die samstägliche Zusammenrottung am Willy-Brandt-Platz habe ich wie alle Hauptereignisse vergangener Woche nicht miterlebt. Die Faulheit und das Desinteresse standen mal wieder im Weg. In Frankfurt beschleicht mich aber eh ein Gefühl, dass der Kampf gegen das Böse schon seit den 1970er Jahren verloren ist.
Die Buchmesse kann man ja nun auch nicht gerade eine subversive Veranstaltung nennen, sondern vorurteilsbelastet so gliedern: 20 Prozent Rechtfertigungsfolklore eines angegriffenen Marktes, 70 Prozent Kickoff für die fetten Monate bis zum Weihnachtsfest und 10 Prozent nettes Beisammensein. Vor allem für Letztes ist die Zeitung zur Buchmesse unentbehrlich.