twen – Nr. 5, Mai 1964
"Die Original Beatles bilden den weniger einfallsreichen Flügel; sie sind grob, laut, eindeutig, und albern statt lustig. Ihre im Nachahmen sicheren Gefolgsleute sind 'The Searchers' (Vogue), die deutschen 'Magics' (Decca) und 'Rattles' (Pilips). Die 'Ventures' (Liberty) spielen eine motorisch-monotone Variante, die 'Rolling Stones' (Decca) machen Twist vor allem mit Lärm."
Was?
Ein bundesdeutsches Magazin für Twens – also wahrscheinlich für junge Leute, die nicht mehr in die Schule gehen. 1959 wurde twen gegründet, 1966 kaufte der Axel Springer die Zeitung, ab 1969 übernahm Gruner + Jahr. 1971 ging twen ein. Versuche der Wiederbelebung waren Strohfeuer. Man hört Verschiedenes über die tatsächlichen Leserschaft der twen. Es war sicher ein besseres Gefühl sie damals zu lesen, wenn man Geld hatte.
Turnus
Monatlich
Preis-Inhalts-Verhältnis
Seiten inklusive Cover: 100 Seiten
Ganzseitige Anzeigen: 17 Seiten, wenn man die Ankündigung der Twen-Patte Nr. 28 mitzählt.
Preis: 2,- DM
Format: Übergröße
Preis pro Inhaltsseite: Ca. 0,02,- DM
Erwerbsgeschichte
Habe vor einigen Jahren das Buch ‚Twen – Revision einer Legende‘ geschenkt bekommen. Mein Interesse an der Illustrierten war geweckt. Nach langer Zeit habe ich mich endlich dazu durchgerungen eine Ausgabe bei ebay zu schießen. Ich suchte nach einer Prä-Springer-Ausgabe, ansonsten ging ich wahllos vor.
Titel
„Testen Sie ihre Freundin!“ – Die Fragen des Psycho-Tests grenzen 2011 durchaus an Schwachsinn und stehen sowieso konträr zu anderen Inhalten. Überall Werbung für Zigaretten, aber die Freundin bekommt Minuspunkte wenn sie raucht. Allerdings ist es im Grunde doch richtig. In den Anzeigen rauchen ausschließlich Männer. Übrigens auch, wenn es gar keine Werbung für die Tabakbranche ist. Für die folgende Ausgabe ist übrigens ein ähnlicher Test für den Freund angekündigt.
Inhalt
Der Leser und Werbekonsument wird in der Höflichkeitsform angesprochen. Das ist ordentlich und sympathisch. Ansonsten: viele Frauen, viele abgedruckte Leserbriefe, viel Werbung.
Bemerkenswert:
1. Günter Wallraff tritt hier erstmals als verdeckter Reporter ins Rampenlicht. Hier macht er in der Bundeswehr sich und anderen mit einer verspäteten Verweigerung das Leben schwer. In den Leserbriefen wird das Kasernen-Tagebuch des Schützen „Wallmann“ diskutiert. Erschien wohl in der Ausgabe davor. Wahrscheinlich ist das auch Wallraff, nur war da die Verweigerung noch nicht durch.
2. Warum gibt es in heutigen Lifestyle-Magazinen kaum noch die obligatorische Kurzgeschichte? In dieser twen-Ausgabe liest man zum Beispiel was von Richard Yates.
Sinneseindruck
Die Übergröße ist optisch ein Gewinn. Meine Ausgabe riecht nach Gästezimmer von Oma. Das dünne Papier bekam in den vergangenen Jahrzehnten eine wunderschöne Verdunklung am Rand. Das gilt nicht für die eingestreuten Farbteile in Hochglanz, die 17 von den 100 Seiten ausmachen. Allerdings sind nur acht bunte Seiten nicht an Werbekunden verkauft.
Verdikt
Kann man twen mit einem gegenwärtigen Magazin vergleichen? Anders als die abgeklärt-sarkastische Vice und das Lebensangst-versprühende Befindlichkeitsblättchen Neon hat die twen einen wunderbar naiven, trotzdem schnöseligen Ton. 1964 wurde in der twen Internationalismus bewundert und heimliche Frivolität propagiert. Das Wort „kultig“ ist schwach und abgenutzt für dieses Magazin. Eine Lektüre von twen ist noch heute so faszinierend und kurzweilig, wie sie vermutlich auch schon damals war.