ZEIT MAGAZIN – NR. 46, 11.11.2010
Gerade eben, vor der Tür, musste ich einem Touristenpaar die Hand schütteln. Wir kommen aus Deutschland haben die gesagt. Da habe ich geantwortet: Das kommt vor, wir sind 80 Millionen.
Was?
Die Wochenzeitung Die Zeit ist vielleicht das wunderbarste Gewächs in der deutschen Presselandschaft. Das beigelegte Magazin ist das grüne Blattwerk drumherum: Staffage.Ich bin kein Biologe. Entschuldige die Plumpheit meiner Metapher.
Turnus
Wöchentlich
Preis-Inhalts-Verhältnis
Seiten inklusive Cover: 72 Seiten
Ganzseitige Anzeigen: 16 Seiten
Preis: Der ist an das Mutterblatt gekoppelt. Das kostet 3,80 €
Format: Fast DIN A 4, aber es kommt mir ein wenig kleiner vor
Preis pro Inhaltsseite: Die Ermittlung ist schwierig. Wollen wir einfach sagen, dass das Zeit Magazin – auch weil es erst wieder seit 2007 existiert – eine kostenlose Beilage der Zeit ist? Ich will nicht irgendwelche Rechenkonstrukte entwerfen, die nicht stimmig sind. Außerdem habe ich schon einige Teile der Zeit ausgelesen dem Papiermüll zugeführt. Deswegen kann ich jetzt auch nicht mehr die korrekte Seitenzahl der Zeitung zu der des Magazins addieren, die gesamten ganzseitigen Anzeigen subtrahieren um dann anhand des Gesamtkaufpreises das Preis-Inhalts-Verhältnis zu errechnen. Verstanden?
Erwerbsgeschichte
Als Abonement der Zeit komme ich nicht um das Zeit Magazin herum.
Titel
Eine Uhr im Schaufenster.
Inhalt
Die Uhrenausgabe. Na toll – als ob mein Verhältnis zu dem Zeit Magazin nicht schon belastet genug wäre. Drei kurze Bemerkungen:
1. Rubriken: Martenstein macht Spaß, die Deutschlandkarte meistens auch. Die „Heiter bis glücklich“-Seite verführt in ihrer Niedlichkeit zu Gewaltfantasien.
2. Zitatgeber Karl Lagerfeld: ich werde nicht müde zu erwähnen: Wenn ich König werde, wird Kalli mein Hofnarr. Er und sonst keiner. Der Mann ist zum Schreien. Natürlich muss er dann auch eine alberne Mütze mit Glöckchen tragen.
3. Eine 19.900 € teure Armbanduhr vor einem beklebten Poller am Berghain anzubringen und abzulichten ist nicht subversiv. Es ist einfach ein Grund noch schneller ganz weit weg zu blättern. Vielleicht bin ich auch einfach zu arm um das zu verstehen. Und jetzt kommt mir nicht mit: „Da sind aber noch billigere Uhren präsentiert“, wenn die billigste Uhr immer noch 1.200 Euros kostet.
Verdikt
Viele kennen das Zeit Magazin. Nur einer aus meinem sozialen Dunstkreis sammelt seit dem Neustart alle Ausgaben. Dieser Mann ist über 60 Jahre alt, Junggeselle, Besitzer von drei Autos – allesamt Youngtimer, eins davon ist ein Porsche. Das Zeit Magazin will jugendlich wirken, zielt dann aber mit dieser Uhrengeschichte, mit Anzeigen des Elite-Verkupplungservice parship.de und mit Rezension von Autos auf eine Einkommensschicht ab, der ich nicht angehöre. Das trifft möglicherweise auf mehr Leser zu als die Anzeigenabteilung glauben machen will.